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Das siebzehnte Kapitel - Hoffnungen und Entwürfe



 

Am frühen Nachmittag, während die älteren Herrschaften je ein Schläfchen absolvierten, gingen Hildegard und Fritz in den Wald. Sie faßten sich bei den Händen. Sie blickten einander von Zeit zu Zeit lächelnd an.

Sie blieben manchmal stehen, küßten sich und strichen einander zärtlich übers Haar. Sie spielten Haschen. Sie schwiegen meist und hätten jede Tanne umarmen mögen. Das Glück lastete auf ihren Schultern wie viele Zentner Konfekt.

Fritz meinte nachdenklich: »Eigentlich sind wir doch zwei ziemlich gescheite Lebewesen. Ich unterstelle es jedenfalls als wahr. Wie kommt es dann, daß wir uns genauso albern benehmen wie andere Liebespaare?

Wir halten uns an den Händchen. Wir stolpern Arm in Arm durch die kahle Natur. Wir bissen einander am liebsten die Nasenspitze ab. Ist das nicht idiotisch? Frollein, ich bitte um Ihre unmaßgebliche Stellungnahme!«

Hilde kreuzte die Arme vor der Brust, verneigte sich dreimal und sagte:

»Erhabener Sultan, gestatte deiner sehr unwürdigen Dienerin die Bemerkung, daß die Klugheit im Liebeskonzert der Völker noch nie die erste Geige spielte.«

»Stehen Sie auf, teuerste Gräfin!« rief er pathetisch, obwohl sie gar nicht kniete. »Stehen Sie auf! Wer so klug ist, daß er die Grenzen der Klugheit erkennt, muß belohnt werden. Ich ernenne Sie hiermit zu meiner Kammerzofe à la suite!«

Sie machte einen Hofknicks.

»Ich werde sogleich vor Rührung weinen, Majestät, und bitte, in meinen Tränen baden zu dürfen.«

»Es sei!« erklärte er königlich. »Erkälten Sie sich aber nicht!«

»Keineswegs, Meister«, sagte sie.

»Die Temperatur meiner Zähren pflegt erfahrungsgemäß zwischen sechsundzwanzig und achtundzwanzig Grad Celsius zu schwanken.«

»Wohlan!« rief er. »Und wann treten Sie Ihren Dienst an meinem Hofe an?«

»Sobald du willst«, erklärte sie. Dann begann sie plötzlich, trotz der Nagelschuhe, zu tanzen. »Es handelt sich um den Sterbenden Schwan«, fügte sie erläuternd hinzu. »Ich bitte besonders auf meinen langen Hals zu achten.«

»Tanzen Sie weiter!« meinte er. »Ich hole Sie abends wieder ab.«

Er ging. Sie kam laut heulend hinter ihm her und gab vor, sich zu fürchten. Er nahm sie bei der Hand und sagte:

»Törichtes Kind!«

»Aber der Schwan ist doch gestorben«, erklärte sie eifrig. »Und mit einem so großen toten Vogel allein im Wald — huhuhu!«

Er gab ihr einen Klaps, und dann setzten sie den Weg fort. Nach einiger Zeit wurde er ernst.

»Wieviel Geld muß ich verdienen, damit wir heiraten können? Bist du sehr anspruchsvoll? Was kostet der Ring, den du am Finger hast?«

»Zweitausend Mark.«

»Ach, du grüne Neune«, rief er.

»Das ist doch schön«, meinte sie. »Den können wir versetzen!«

»Ich werde dich gleich übers Knie legen! Wir werden nicht von dem leben, was du versetzt, sondern von dem, was ich verdiene.«

Sie stemmte die Hände in die Hüften.

»Aha! Das könnte dir so passen! Du widerwärtiger Egoist! Alle Männer sind Egoisten. Ich habe ein Buch gelesen. Da stand es drin. ‚Das Wirtschaftsgeld und die Monogamie’ hieß das Buch.

Ihr seid ein heimtückisches, kleinliches Geschlecht, brrr!« Sie schüttelte sich wie ein nasser Pudel. »Vier Monate lang könnten wir von dem Ring leben! In einer Dreizimmerwohnung mit indirekter Beleuchtung! Zentralheizung und Fahrstuhl inklusive! Und sonntags könnten wir miteinander zum Fenster hinausgucken! Aber nein!

Lieber stopfst du mich in eine Konservenbüchse wie junges Gemüse. Bis ich einen grauen Bart kriege. Ich bin aber kein junges Gemüse!«

»Doch«, wagte er zu bemerken.

»Ich schmeiße den blöden Ring in den Schnee!« rief sie.

Und sie tat es wirklich. Anschließend krochen sie auf allen vieren im Wald umher. Endlich fand er den Ring wieder.

»Ätsch!« machte sie. »Nun gehört er dir!«

Er steckte ihn an ihren Finger und sagte:

»Ich borge ihn dir bis auf weiteres.« Nach einer Weile fragte er: »Du glaubst also, daß wir mit fünfhundert Mark im Monat auskommen?«

»Na klar.«

»Und wenn ich weniger verdiene?«

»Dann kommen wir mit weniger aus«, meinte sie überzeugt. »Du darfst das Geld nicht so ernst nehmen, Fritz. Wenn alle Stränge reißen, pumpen wir meinen Vater an. Damit er weiß, wozu er auf der Welt ist.«

»Du bist wahnwitzig«, sagte er. »Du verstehst nichts von Geld. Und von Männern verstehst du noch weniger. Dein Vater könnte der Schah von Persien sein — ich nähme keinen Pfennig von ihm geschenkt.«

Sie hob sich auf die Zehenspitzen und flüsterte ihm ins Ohr:

»Liebling, mein Vater ist doch aber gar nicht der Schah von Persien!«

»Da haben wir's«, sagte er. »Da siehst du wieder einmal, daß ich immer recht habe.«

»Du bist ein Dickschädel«, erwiderte sie. »Zur Strafe fällt Klein-Hildegard nunmehr in eine tiefe Ohnmacht.« Sie machte sich stocksteif, kippte in seine ausgebreiteten Arme, blinzelte vorsichtig durch die gesenkten Lider und spitzte die Lippen. (Nicht etwa, um zu pfeifen.)

Inzwischen hatten die älteren Herrschaften das Nachmittagsschläfchen erfolgreich beendet. Johann stieg, über die Dienstbotentreppe, ins fünfte Stockwerk und brachte Blumen, eine Kiste Zigarren, frische Rasierklingen, sowie Geheimrat Toblers violette Hose, die er gebügelt hatte.

Der Geheimrat stand ohne Beinkleider in seinem elektrisch geheizten Dachstübchen und sagte: »Deswegen suche ich wie ein Irrer! Ich wollte gerade in Unterhosen zum Fünfuhrtee gehen.«

»Ich habe die Hose, während Sie schliefen, aus Ihrem Zimmer geholt. Sie sah skandalös aus.«

»Hauptsache, daß sie Ihnen jetzt gefällt«, meinte Tobler. Er kleidete sich an.

Johann bürstete ihm Jackett und Schuhe. Dann gingen sie und klopften unterwegs an Frau Kunkels Zimmer. Tante Julchen rauschte imposant in den Korridor.

»Sie haben sich ja geschminkt!« meinte Johann.

»Ein ganz kleines bißchen«, sagte sie. »Man fällt sonst aus dem Rahmen. Wir können schließlich nicht alle miteinander wie die Vagabunden herumlaufen! Herr Geheimrat, ich habe ein paar Anzüge mitgebracht. Wollen Sie sich nicht endlich umziehen? Heute früh haben die Leute oben auf dem hohen Berg gräßliche Bemerkungen gemacht.«

»Halten Sie den Mund, Kunkel!« befahl Tobler. »Es ist egal!«

»Ein Herr mit einer Hornbrille hat gesagt: ‚Wenn man den Kerl ins Kornfeld stellt, fliegen alle Vögel fort!’ Und eine Dame ...«

»Sie sollen den Mund halten!« knurrte Johann.

»Die Dame sagte: >So etwas müßte der Verkehrsverein narkotisieren und heimschicken^«

»Ein rohes Frauenzimmer!« meinte der Geheimrat. »Aber so sind die Menschen.«

Dann tranken sie in der Halle Kaffee. Frau Kunkel aß Torte und sah den Tanzpaaren zu. Die beiden Männer lasen Zeitung und rauchten schwarze Zigarren.

Plötzlich trat ein Boy an den Tisch und sagte:

»Herr Schulze, Sie sollen mal zum Herrn Portier kommen!«

Tobler, der, in Gedanken versunken, Zeitung las, meinte:

»Johann, sehen Sie nach, was er will!«

»Schrecklich gern«, flüsterte Herr Kesselhuth. »Aber das geht doch nicht.«

Der Geheimrat legte das Blatt beiseite.

»Das geht wirklich nicht.« Er blickte den Boy an. »Einen schönen Gruß, und ich läse Zeitung. Wenn der Herr Portier etwas von mir will, soll er herkommen.«

Der Junge machte ein dämliches Gesicht und verschwand. Der Geheimrat griff erneut zur Zeitung. Frau Kunkel und Johann blickten gespannt zur Portierloge hinüber.

Kurz darauf kam Onkel Polter an.

»Ich höre, daß Sie sehr beschäftigt sind«, meinte er mürrisch.

Tobler nickte gleichmütig und las weiter.

»Wie lange kann das dauern?« fragte der Portier und bekam rote Backen.

»Schwer zu sagen«, meinte Tobler. »Ich bin erst beim Leitartikel.«

Der Portier schwitzte schon.

»Die Hoteldirektion wollte Sie um eine kleine Gefälligkeit bitten.«

»Oh, darf ich endlich den Schornstein fegen?«

»Sie sollen für ein paar Stunden die Skihalle beaufsichtigen. Bis die letzten Gäste herein sind. Der Sepp ist verhindert.«

»Hat er die Masern?« fragte der andere. »Sollte ihn das Kind der Botenfrau angesteckt haben?«

Der Portier knirschte mit den Zähnen.

»Die Gründe tun nichts zur Sache. Dürfen wir auf Sie zählen?«

Herr Schulze schüttelte den Kopf. Er schien die Absage selber zu bedauern.

»Ich mag heute nicht. Vielleicht ein andermal.«

Die Umsitzenden spitzten die Ohren. Frau Casparius, die an einem der Nebentische saß, reckte den Hals.

Onkel Polter senkte die Stimme.

»Ist das Ihr letztes Wort?«

»In der Tat«, versicherte Schulze. »Sie wissen, wie gern ich Ihrem offensichtlichen Personalmangel abhelfe. Aber heute bin ich nicht in der richtigen Stimmung. Ich glaube, das Barometer fällt. Ich bin ein sensibler Mensch. Guten Abend!«

Der Portier trat noch einen Schritt näher.

»Folgen Sie mir endlich!« Hierbei legte er seine Rechte auf Schutzes Schulter. »Ein bißchen plötzlich, bitte!«

Da aber drehte sich Schulze herum und schlug dem Portier energisch auf die Finger.

»Nehmen Sie sofort die Hand von meinem Anzug!« fügte er drohend hinzu. »Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß ich jähzornig bin.«

Der Portier bekam Fäuste. Sein Atem pfiff. Er erinnerte an eine Kaffeemaschine, die den Siedepunkt erreicht hat. Aber er sagte nur:

»Wir sprechen uns noch.« Dann ging er.

An den Nebentischen wurde erregt geflüstert. Die Augen der Bremer Blondine schillerten giftig.

»Hätten Sie ihm doch eine geklebt«, meinte Tante Julchen. »Es ist immer dasselbe, Herr Geheimrat. Sie sind zu gutmütig.«

»Ruhe!« flüsterte Tobler. »Die Kinder kommen.«

Als sich Doktor Hagedorn fürs Abendessen umkleidete, brachte der Liftboy einen Einschreibebrief und, mit Empfehlungen vom Portier, ein paar ausländische Briefmarken. Fritz quittierte.

Dann öffnete er den Umschlag. Wer schickte ihm denn Einschreibebriefe nach Bruckbeuren? Er stolperte lesend über den Teppich. Er fiel aufs Sofa, mitten zwischen die drei spielenden Katzen, und starrte hypnotisiert auf das Schreiben. Dann drehte er das Kuvert um. Ein Stück Papier rutschte heraus. Ein Scheck über fünfhundert Mark! Er fuhr sich aufgeregt durchs Haar.

Eine der Katzen kletterte auf seine Schulter, rieb ihren Kopf an seinem Ohr und schnurrte. Er stand auf, hielt sich, weil ihm schwindelte, am Tisch fest und trat langsam zum Fenster. Vor ihm lagen der verschneite Park, die spiegelglatte Eisbahn, die Skihalle mit dem weißen Dach. Ein paar Liegestühle waren vergessen worden. Hagedorn sah nichts von alledem.

Die Katze krallte sich ängstlich in dem blauen Jackett fest.

Sie machte einen Buckel. Er lief kreuz und quer durchs Zimmer. Sie miaute kläglich. Er nahm sie von seiner Schulter, setzte sie auf den Rauchtisch und ging weiter. Er bückte sich, nahm den Scheck hoch, den Brief auch. Dann sagte er: »Nun ist der Bart ab!« Etwas Passenderes fiel ihm nicht ein.

Plötzlich rannte er aus dem Zimmer. Im Korridor begegnete ihm das Stubenmädchen. Sie blickte ihn lächelnd an, wünschte guten Abend und fragte:

»Haben der Herr Doktor absichtlich keine Krawatte umgebunden?«

Er blieb stehen.

»Wie bitte? Ach so. Nein. Danke schön.«

Er ging in seine Gemächer zurück. Hier begann er zu pfeifen. Etwas später begab er sich, die Tür weit offen lassend, zum Portier hinunter und verlangte ein Telegrammformular.

»Entschuldigung, Herr Doktor. Haben Sie absichtlich keine Krawatte umgebunden?«

»Wieso?« fragte Hagedorn. »Ich war doch extra deswegen noch einmal in meinem Zimmer!« Er griff sich an den Hemdkragen und schüttelte den Kopf.

»Tatsächlich! Na, erst muß ich depeschieren.«

Er beugte sich über das Formular und adressierte es an: »Fleischerei Kuchenbuch, Charlottenburg, Mommsenstraße.« Dann schrieb er: »Anrufe Dienstag 10 Uhr stop erbitte Mutter ans Telefon stop vorbereitet freudige Mitteilung. Fritz Hagedorn.«

Er reichte das Formular über den Tisch.

»Wenn meine Mutter eine Depesche kriegt, denkt sie, ich bin unter eine Lawine gekommen. Drum depeschiere ich dem Fleischer von nebenan. Der Mann hat Gemüt.«

Der Portier nickte höflich, obwohl er nicht verstand, worum es sich handelte.

Hagedorn ging in den Speisesaal. Die anderen saßen schon bei Tisch. Er sagte: »Mahlzeit!« und nahm Platz.

»Haben Sie absichtlich keine Krawatte umgebunden?« fragte Tante Julchen.

»Ich bitte um Nachsicht«, meinte er. »Ich habe heute einen Webefehler.«

»Wovon denn, mein Junge?« erkundigte sich Schulze.

Hagedorn klopfte mit einem Löffel ans Glas.

»Wißt ihr, was los ist? Ich bin engagiert! Ich habe vom nächsten Ersten ab eine Anstellung! Mit achthundert Mark im Monat! Es ist zum Überschnappen! Eduard, hast du noch keinen Brief bekommen? Nein? Dann kriegst du ihn noch. Verlaß dich drauf! Man schreibt mir, wir zwei hätten künftig geschäftlich miteinander zu tun. Freust du dich, oller Knabe? Hach, ist das Leben schön!«

Er blickte den Schifffahrtsbesitzer Johann Kesselhuth an. »Haben Sie vielen Dank! Ich bin so glücklich!« Er drückte dem soignierten alten Herrn gerührt die Hand. »Eduard, bedanke dich auch!«

Schulze lachte.

»Das hätte ich fast vergessen. Also, besten Dank, mein Herr!«

Kesselhuth rutschte verlegen auf seinem Stuhl hin und her. Tante Julchen sah verständnislos von einem zum anderen.

Hagedorn griff in die Tasche und legte den Scheck über fünfhundert Mark neben Hildes Teller.

»Eine Sondergratifikation! Kinder, ist das eine noble Firma! Fünfhundert Mark, noch ehe man den kleinen Finger krumm gemacht hat! Der Abteilungschef schreibt, ich möge mich im Interesse des Unternehmens bestens erholen. Bestens! Was sagt ihr dazu?«

»Prächtig, prächtig«, meinte Hilde. »Da kannst du morgen gleich deiner Mutter etwas schicken, nicht?«

Er nickte. »Jawohl! Zweihundert Mark! Außerdem kommt sie früh zu Kuchenbuchs. Ich erzähle ihr alles am Telefon.«

»Kuchenbuchs?« fragte Eduard.

»Das ist der Fleischer, bei dem wir kaufen. Ich habe ihm eben eine Depesche geschickt. Er soll meine Mutter schonend vorbereiten. Sonst erschrickt sie zu Tode.«

Hilde sagte: »Ich gratuliere dir zu deiner Anstellung von ganzem Herzen.«

»Ich dir auch«, antwortete er fröhlich. »Nun kriegst du endlich einen Mann.«

»Wen denn?« fragte Tante Julchen. »Ach, so, ich weiß schon. Na ja. Damit Sie's wissen, Herr Doktor, ich bin nicht sehr dafür.«

»Es tut mir leid«, sagte er. »Aber ich kann leider auf Hildes Tanten keine Rücksicht nehmen. Das würde zu weit führen. Liebling, ob dein Vater einverstanden sein wird? Achthundert Mark sind doch 'ne Stange Geld.«

Frau Kunkel lachte despektierlich.

»Paß mal auf«, sagte Hilde. »Wir werden sogar sparen. Wir brauchen kein Dienstmädchen, sondern ich lasse dreimal in der Woche eine Aufwartefrau kommen.«

»Aber wenn der Junge da ist, nehmen wir ein Dienstmädchen«, erklärte Hagedorn besorgt.

»Welcher Junge?« fragte die Tante.

»Unser Junge!« sagte Hilde stolz.

»Wir werden ihn Eduard nennen«, bemerkte der künftige Papa. »Im Hinblick auf meinen Freund.«

»Und wenn es ein Mädchen ist?« fragte Schulze besorgt.

»Für diesen Fall möchte ich Eduardine vorschlagen«, erklärte Herr Kesselhuth.

»Sie sind ein findiger Kopf«, sagte Schulze anerkennend.

»Es wird bestimmt ein Junge«, versicherte Hagedorn.

Hilde meinte: »Ich habe auch so das Gefühl.« Und dann wurde sie rot bis über beide Ohren.

Tante Julchen rang nach neuem Gesprächsstoff. Sie fragte:

»Welche Firma hat Sie denn engagiert?«

Hagedorn warf sich in die Brust: »Sie werden staunen, Tantchen. Die Toblerwerke!«

Tante Julchen staunte wirklich. Sie staunte so sehr, daß ihr ein Hühnerknochen in die Speiseröhre geriet. Die Augen traten ihr faustdick aus dem Kopf. Sie hustete aus tiefster Seele. Man flößte ihr Wasser ein.

Man hielt ihr die Arme hoch.

Sie riß sich los, warf einen gequälten Blick auf Herrn Schulze und entwich.

»Hat sie das häufig?« fragte Fritz, als sie fort war.

»Seit sie meine Tante ist«, wollte Hilde eigentlich sagen. Aber sie sah die Augen ihres Vaters und die des Dieners Johann auf sich gerichtet und erklärte: »Die Freude wird sie überwältigt haben.«

Am gleichen Abend fand, eine Stunde später, ein Gespräch statt, das nicht ohne Folgen bleiben sollte. Frau Casparius kam zu Onkel Polter, der hinter seinem Ladentisch saß und eine englische Zeitung überflog.

»Ich habe mit Ihnen zu reden«, erklärte sie.

Er stand langsam auf. Die Füße taten ihm weh.

»Wir kennen einander seit fünf Jahren, nicht wahr?«

»Jawohl, gnädige Frau. Als Sie das erstemal bei uns waren, wohnten gerade die akademischen Skiläufer im Hotel.« Das klang etwas anzüglich.

Sie lächelte, griff in ihre kleine Brokattasche und gab ihm ein Bündel Banknoten.

»Es sind fünfhundert Mark«, erklärte sie obenhin. »Ich habe die Summe gerade übrig.«

Er nahm das Geld.

»Gnädige Frau, verfügen Sie über mich!«

Sie holte eine Zigarette aus dem goldenen Etui. Er gab ihr Feuer. Sie rauchte und blickte ihn prüfend an.

»Hat sich eigentlich noch keiner der Gäste über Herrn Schulze beschwert?«

»O doch«, sagte er. »Man hat sich wiederholt erkundigt, wieso ein derart abgerissen gekleideter Mensch ausgerechnet in unserem Hotel wohnt. Dazu kommt ja noch, daß sich der Mann im höchsten Grade unverschämt aufführt. Ich selber hatte heute nachmittag einen Auftritt mit ihm, der jeder Beschreibung spottet.«

»Diese Beschreibung wäre zudem überflüssig«, erklärte sie. »Ich saß am Nebentisch. Es war skandalös!

Sie sollten sich eine solche Unverfrorenheit nicht bieten lassen. Das untergräbt den guten Ruf Ihres Hotels.«

Der Portier zuckte die Achseln.

»Was kann ich dagegen tun, gnädige Frau? Gast bleibt Gast.«

»Hören Sie zu! Mir liegt daran, daß Herr Schulze umgehend verschwindet. Die Gründe tun nichts zur Sache.«

Er verzog keine Miene.

»Sie sind ein intelligenter Mensch«, sagte sie. »Beeinflussen Sie den Hoteldirektor! Übertreiben Sie die Beschwerden, die gegen Schulze geführt wurden. Fügen Sie hinzu, daß ich niemals wieder hierherkomme, falls nichts unternommen wird. Herr Lenz geht übrigens mit mir d'accord.«

»Und was soll praktisch geschehen?«

»Herr Kühne soll morgen dem Schulze vorschlagen, im Interesse der Gäste und des Hotels abzureisen. Der Mann ist offensichtlich sehr bedürftig. Bieten Sie ihm eine pekuniäre Entschädigung an! Die Höhe der Summe ist mir gleichgültig. Geben Sie ihm dreihundert Mark. Das ist für ihn ein Vermögen.«

»Ich verstehe«, meinte der Portier.

»Um so besser«, meinte sie hochmütig. »Was Sie von den fünfhundert Mark übrigbehalten, gehört selbstverständlich Ihnen.«

Er verbeugte sich dankend. »Ich werde tun, was in meinen Kräften steht, gnädige Frau.«

»Noch eins«, sagte sie. »Wenn dieser Herr Schulze morgen nachmittag nicht verschwunden sein sollte, reise ich mit dem Abendzug nach Sankt Moritz. Auch das wollen Sie, bitte, Ihrem Direktor ausrichten!«

Sie nickte flüchtig und ging in die Bar. Das Abendkleid rauschte. Es klang, als flüstere es in einem fort seinen Preis.

 



Ïðîñìîòðîâ 569

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